
Blanco – eine feine Satzschrift aus Down Under
Dass nicht nur etablierte Schriftdesigner hochwertige Schriften entwickeln, beweisen immer wieder angehende Schriftgestalter aus dem Masterstudiengang Type and Media in Den Haag. 2012 wurde ich auf eine wunderschöne Serifenschrift aufmerksam, gezeichnet vom Absolventen Dave Foster. Blanco erinnerte mich ein wenig an Lyon Text, Tiempos und Plantin, besaß aber einen eigenen Charakter mit gut ausbalancierten Kontrasten und einem klaren Schriftbild. Nachdem die Schrift in der Schublade verschwanden war und Dave als Schriftgestalter bei einigen der wichtigsten Typefoundries gearbeitet hatte, nahm er sich der Blanco noch einmal an. Er überarbeitete das Design der Schriftfamilie von A bis Z, baute den Umfang aus und optimierte sie für die Lesbarkeit am Bildschirm. Blanco ist gerade zum Relaunch von Daves Website erschienen. Vorhang auf für eine großartige Satzschrift!
Der Name ›Blanco‹ geht zurück auf Daves Studienkollegin Noe Blanco. Für eine Designübung bei Peter Biľak beschrieb sie die Eigenschaften ihrer am heißesten geliebten Schrift:
Use: Long texts; Tone: Contemporary with a distinctive character; Ascenders and descenders: Not too long; Contrast Type: Translation / broad nib; Contrast Amount: Visible but not high; Serifs: No bracketing; Stems: Completely straight; Features: Sharp, angular details
Auf dieser Grundlage schrieb Dave ein Alphabet, dass er dann als rasche Schriftstudie digitalisierte. Später im Studium bemerkte er, dass viele dieser Eigenschaften ihm selbst bei Serifenschriften magisch anzogen. Als Masterschrift entwickelte er schließlich eine No-Nonsens-Schrift für lange Texte.
Die Blanco verleiht Textkolumnen einen sehr gleichmäßigen Grauwert und bleibt formal dezent im Hintergrund. Sprich, der Leser kann den Inhalt lesen und wird nicht durch hervorstechende Merkmale im Schriftdesign abgelenkt. Dank moderater Strichkontraste, geringer Ober- und Unterlängen und einem perfekt ausbalancierten Verhältnis von Zeichenformen, Binnen- und Zwischenräumen ergibt sich ein ruhiger Zeilenfluss.
Es stehen vier Gewichte von Regular, über Medium, Bold und Extra Bold zur Verfügung. In der Kombination von Text und Überschrift lassen sich so zwei Textfarben erzeugen: Regular mit Bold und Medium mit Extra Bold als kräftige Auszeichnung. Alle vier Schnitte sind in der Strichstärke deutlich voneinander unterschieden. Der Regular-Schnitt fällt verhältnismäßig leicht aus und wirkt für mich eher wie ein Light-Schnitt. Zu jedem Gewicht gibt es eine Kursive mit relativ steiler Zeichnung, großen Punzen und einem schnörkellosen Auftritt. Der Rhythmus und die Schriftfarbe unterscheiden sich nicht allzu sehr von den aufrechten Schnitten. Dadurch wirken kursive Auszeichnungen innerhalb des Textes eher zurückhaltend. Als zusätzliches Auszeichnungsmittel kommen Kapitälchen ins Spiel. Diese sind geringfügig höher gezeichnet als die x-Höhe und fügen sich optisch harmonisch in die Textzeile ein.
Designmerkmale
Nach der DIN-Klassifizierung zählt die Blanco zu den Renaissance-Antiquas. Doch diese historische Zuordnung zielt ins Leere, weil sie nichts über den Schriftcharakter aussagt. Blanco ist nämlich eine durch und durch zeitgemäße Schrift mit einem klaren und unaufdringlichen Schriftbild. Obwohl ihr Ursprung im Schreiben mit der Breitfeder liegt, fehlen jegliche historisch anmutenden Merkmale. Blanco schöpft vor allem Inspiration aus der bodenständigen Plantin (Frank Hinman Pierpont, 1913), mit der sie einen ähnlichen Rhythmus und ähnlich geformte Kopfserifen gemeinsam hat. Dabei wirkt sie viel frischer und ist aus einem Guss.
Buchstaben und Ziffern teilen ein interessantes Designprinzip: die weichen Außenkonturen werden durch knackig-scharfe Ecken in den Binnenräumen kontrastiert. Eine Erklärung für dieses charakteristische Wechselspiel beschreibt Dave im Entstehungsprozess der Schrift. Als wichtigste Lektion während des Type and Media Studiums erkannte er, dass der Weißraum ganz bewusst als Gegenform zum Schriftkörper in die Gestaltung mit einbezogen werden muss. Die Blanco wirkt deshalb nicht nur knackig, sondern punktet aufgrund der großzügigen Punzen und Binnenräumen mit einem offenen Schriftbild und einer guten Zeilenbildung. Ein weiteres charakteristische Merkmal, dass allerdings erst in größeren Schriftgraden bewusst wahrgenommen wird, sind die dreieckigen Kopfserifen, die oben leicht gebogenen sind.
Ausstattung der Zeichenkoffer
Die Blanco besitzt ein überdurchschnittlich großes Zeichenrepertoire und eine Reihe nützlicher Features. Die aufrechten Schnitte umfassen rund 970 Glyphen, die kursiven Schnitte etwa 1020 Glyphen. Für den typografischen Alltag sicherlich am wichtigsten sind echte Kapitälchen und die große Vielfalt an Ziffern. Dazu zählen proportionale und gleichbreite Ziffern in Versalform und Mediävalform. Zusätzlich kann man in InDesign über das OpenType Menü »Alles in Kapitälchen« Ziffern in sogenannte Kapitälchenziffern umwandeln. Hiermit lassen sich beispielsweise grafisch elegante Kombinationen von Name und Lebensjahre ohne störende Ober- und Unterlängen setzen.
Für Rezepte oder Fußnoten sind Brüche, sowie hoch- und tiefgestellte Ziffern sehr praktisch und lassen keine Wünsche offen. Wer mit fremdsprachigen Textsatz zu tun hat, wird sich über Ordinalzeichen freuen.
Ein weiteres nützliches Feature sind kontextabhängige Satzzeichen, die sich automatisch an die Höhe von Versal- und Kapitälchenbuchstaben anpassen. So rücken bei Versalsatz (InDesign: Zeichen › Alles Großbuchstaben) Klammern, Guillemets oder der Halbgeviertstrich einen Hauch nach oben; Durch die damit einhergende bessere Verteilung der Weißräume wird das Satzbild beruhigt.
Ich liebe Ligaturen und finde bei der Blanco eine reiche Auswahl. Neben den Standardformen sind die ausgefallenen g-Ligaturen in der Kursiven hervorzuheben. Obendrauf gibt es kurze Glyphenformen der Buchstaben Q, f und j, die bei kritischen Buchstabenkombinationen ein optisches Verschmelzen verhindern. Alternative Et-Zeichen und acht Pfeile runden das Angebot ab.
Einsatzgebiete – hier entfaltet die Blanco ihr Potential
Eingangs beschrieb ich die Blanco als No-Nonsens-Schrift, was auf die Eignung für alle Arten von Gebrauchstexten hinweist. Mit vier Gewichten und vielen typografischen Features ist sie für die meisten Aufgaben gut gewappnet. Wichtig zu erwähnen ist, dass die Blanco auch hervorragend auf dem Bildschirm lesbar ist. Dafür sorgen das gleichmäßige Schriftbild, die stabilen Serifen und Handhinting in kleinen Schriftgraden. Somit bietet sich die Antiqua bestens für cross-mediales Publishing an. Wer eine frische, unverbrauchte Schrift für Editorial Design oder Branding sucht, dem empfehle ich, sich das Online-Specimen anzuschauen. Hier wird die Blanco als Webfont im Browser in verschiedenen Schriftgrößen und Schnitten dargestellt. Außerdem gibt es zum Download noch ein nützliches Druck-PDF mit vielen Satzproben und Informationen.
Blanco kann als komplette Schriftfamilie im Paket erworben werden (290,— $ Desktop), als einzelne Schnitte (50,— $ Desktop) oder als Kombination von Roman mit Kursive (80,— $ Desktop). Es gibt Desktop-, Web- und App-Lizenzen. Zum Ausprobieren bietet Dave Trial-Fonts mit einem reduzierten Zeichenumfang zum Download.
Dave Foster arbeitete nach seinem MA Type Media als Schriftgestalter für Erik van Blokland, House Industries, Commercial Type, Klim Type Foundry und Frere-Jones Type. Heute lebt und arbeitet er als unabhängiger Schrift-Designer und Lettering-Künstler in Sydney für Designbüros, Typefoundries und Unternehmen auf der ganzen Welt.
Infos: www.fostertype.com