
Brauchen wir noch Tageszeitungen?
Die Zeitungsbranche kämpft um ihre Existenz. Dem SPIEGEL zufolge fallen die Auflagen großer deutscher Tageszeitungen rasant: innerhalb von 15 Jahren schrumpfte die Auflage des Hamburger Abendblatts von 313.000 auf 190.000, die Auflage der B.Z. von 288.000 auf 133.000 Exemplare.*
Die jüngsten Entwicklungen lassen selbst hart gesottene Journalisten aufschrecken: erst trennt sich Springer von einem Großteil seiner Regionalzeitungen (Hamburger Abendblatt, Berliner Morgenpost). Dann kauft Amazon-Chef Jeff Bezos das »Weltsymbol für investigativen Journalismus« — die ›Washington Post‹.**
Journalisten und Zeitungsmacher schreiben seit Jahren über vermeintliche Gründe des Niedergangs ihres klassischen Geschäftsmodells. Man erklärt das Internet und die sozialen Kanäle als Ursachen und versucht die gedruckten Zeitungen als wahre Qualitätsprodukte anzupreisen, die den kulturellen Fortbestand unserer Gesellschaft stützen. Aber tatsächlich fehlen die richtigen Fragen und Antworten auf sich veränderte Lesegewohnheiten. Statt frischer, innovativer Ideen, werden Redaktionen fusioniert oder zu Tode gespart. Nicht selten verbleibt nur eine Rumpf-Redaktion (Frankfurter Rundschau), die gleich für zwei, drei verschiedene Titel zuarbeiten muss.
»Eine Zeitung muss mehr sein als eine Kuh, die frisst, wiederkäut und ausscheidet.« Silke Burmester
In der täglichen Rubrik 2020 – Die Zeitungsdebatte des SPON schreiben Journalisten, Fotografen, Grafiker und Leser über die Zukunft der gedruckten Zeitungen. Viele selbstkritische Gedanken weiten den Blick auf einen tief in der Krise steckenden (Print-) Journalismus. Es gibt Ideen und Ansätze, trotz kostenloser Newsportale, Google und Co. Leser zu begeistern und Geld zu verdienen. Ob es aber in 20 Jahren noch einen Bedarf an gedruckten Nachrichten gibt, ist ungewiss. Bislang schrieben bekannte Medienmacher, wie z.B. Miriam Meckel, Wolf Schneider, Wolfram Weimer oder Jeff Jarvis Gastkommentare.
Nachtrag
Um dem polemischen Titel etwas entgegenzusetzen, verweise ich gerne auf Constantin Seibts brillianten Blog Deadline – Journalismus im 21. Jahrhundert.
Ich schätze, dass die Talfahrt kein Ende findet. Unter den treusten Zeitungslesern gehören vor allem jene Generationen, die ohne Internet groß geworden ist und diese bricht von Jahr zu Jahr weg.
Persönlich kann ich mir keinen »Retro-Trend« wie bei der Analog-Fotografie oder Schallplatten vorstellen.
Ich denke, da hast Du wohl Recht. Junge Leute unter 25 haben mit dem Medium nichts am Hut, weil sie es schlicht nicht brauchen. Und die Generation 40+ wird nach und nach als Leserschaft wegbrechen. In einigen der Beiträge wird das alte Vertriebsmodell ja generell in Frage gestellt. Was bringt es mir, wenn ich die Nachricht vom Vortag heute nur etwas ausführlicher auf Papier lesen kann, sonst aber keinen zusätzlichen emotionalen Mehrwert habe? Ist der Vertrieb und Transport von bedrucktem Papier nicht auch unzeitgemäß für Read and Forget News?
Schaue ich mir die Auflagenspitzen der letzten 20 Jahre an, dann haben
z.B. Zeitungen wie DIE WELT im Jahr 2000 am meisten Zeitungen verkauft,
die USA TODAY hatte ihr Verkaufshoch 2001.
Die Internetseiten der Zeitungen waren da aber schon 5–6 Jahre online, es
kann also nicht nur am Internet liegen. Zumal sie ja auch nicht gezwungen
wurden ihre Inhalte, kostenlos für alle verfügbar anzubieten.
Erst seit 5–6 Jahren hat man ja vorsichtige Bezahlschranken eingeführt.
Nein, der Hauptgrund für die Abokündigen der letzten 3 Jahre waren die ständigen Preiserhöhungen, die Haushaltsfernsehzwangsgebühr, die gerade für Geringverdiener das Medienbudget nahezu komplett aufzehrt, das Streichkonzert
viele (Tages-)zeitungen und Zeitschriften ( Rubrikstreichungen, Zusammenlegung, Gleichförmigkeit, usw. )
Ich kaufe jetzt nur noch gelegentlich das niederländische NRC Handelsblatt, selten mal die DAILY MAIL und DIE WELT nur noch, wenn das Kunstmagazin BLAU oder das Wirtschaftsmagazin BILANZ beiliegt.
Die deutschen Zeitungen sind auch erschreckend unkritisch geworden.